Eine effiziente Methode, um die Vermarktungschancen einer Projektentwicklung zu beurteilen

Seit der letzten Krise der Bau- und Immobilienwirtschaft Anfang der Jahrtausendwende sind Immobilien ständig im Wert gestiegen. Das niedrige Zinsniveau und die moderate Steigerung der Baupreise haben dafür gesorgt, dass eine Immobilie in einigermaßen guter Lage am Ende der Entwicklung in der Regel mit Gewinn verkauft werden konnte. Alle Marktteilnehmer sind jedoch immer davon ausgegangen, dass diese Entwicklung irgendwann ihr (vorläufiges) Ende finden würde.

Spätestens mit Beginn der Corona Pandemie sind dunkle Wolken am Horizont der Projektentwicklungen aufgezogen. Das Zinsniveau hat sich deutlich nach oben entwickelt, die Baupreise sind explosionsartig gestiegen und die Verkaufspreise für fertiggestellte Objekte haben sich beträchtlich nach unten bewegt. Die Bundesbank schreibt zusätzlich in ihrem Bericht für 2023, dass bereits vor Ausbruch der Corona Pandemie die Immobilien in den Städten um 15 bis 30 Prozent überbewertet waren.

Nicht jede, in den letzten Jahren begonnene Immobilienentwicklung führt zwangsläufig zu hohen Verlusten oder Ausfällen bei den Kapitalgebern. Auch vor dem Hintergrund, dass der Bedarf z. B. an Wohnraum in Deutschland noch nicht gedeckt ist, muss das „Geschäftsmodell“ der in den letzten Jahren begonnen Projektentwicklungen vor dem Hintergrund der aktuellen Situation neu validiert und überprüft werden.

Die Methodik des Independent Business Review (IBR)

Zur wirtschaftlichen Bewertung von Unternehmensplanungen, Geschäftsfeldern oder Projekten wird in den angelsächsisch geprägten Ländern schon seit längerer Zeit ein sogenannter Independent Business Review (IBR) eingesetzt. In Deutschland hat man sich in den letzten Jahren vermehrt an den Standards des Deutschen Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) orientiert.

Es gibt eine Vielzahl von Definitionen und Beschreibungen. Die nachstehende Definition trifft den Kern und den Zweck eines IBR am besten:

  • Der Independent Business Review (IBR) beschreibt eine neutrale Einschätzung durch einen Experten zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit … (Quelle Quest Consulting)

Wesentliche Merkmale des IBR sind:

  • Neutrale, unabhängige Einschätzung – Von Experten erstellt
  • Formloser Aufbau – Zustandsbeschreibung
  • Zukünftige Leistungsfähigkeit – Kostengünstige und zeitnahe Erstellung

Durch den formlosen Aufbau bzw. die nicht grundsätzlich fixierte Struktur kann der IBR für Spezialfragen an den für die Fragestellungen relevanten Punkten vertieft werden und die weniger relevanten Gliederungsvorgaben müssen nicht ausführlich behandelt werden. Diese „Freiheit“ erlaubt die Konzentration auf die für die individuelle Aufgabenstellung relevanten Punkte. Unabhängig von der Möglichkeit einer offeneren Gestaltung des Aufbaus orientierten sich die meisten IBR an den wesentlichen Merkmalen von Sanierungskonzepten.

Auch in Deutschland wurden in der jüngeren Vergangenheit vermehrt IBR zur Validierung von Unternehmen, Projekten oder Planungen eingesetzt, wie unter anderem:

  • Validierung von Sparten, Divisionen oder Bereichen hinsichtlich geplanter Vertriebskonzepte bzw. Vertriebsziele
  • Überprüfung der Zukunft geplanter Geschäftsmodelle
  • Überprüfung von Unternehmensplanungen für Stakeholder oder Kapitalgeber
  • Planungen zur Bewältigung von unternehmerischen Krisen (sofern kein IDW S6 benötigt wird)
  • Konzepte im Rahmen von StaRUG-Verfahren
  • Beurteilung von Projekten (Projektentwicklungen) hinsichtlich der Vermarktungsmöglichkeiten

Die Besonderheiten bei der Immobilienentwicklung

Das Geschäftsmodell der Immobilienentwicklung beginnt mit der Suche nach geeigneten Grundstücken oder Objekten und erstreckt sich über die Planung, Realisierung bis hin zur Vermarktung des Objektes am Ende der Entwicklung. Die Finanzierung aus Eigen- und Fremdmitteln begleitet die verschiedenen Stufen der Projektentwicklung, wobei bei einer Immobilienentwicklung mit einem Globalverkauf am Ende der Projektentwicklung in der Ankaufs- und Bauphase Mittel für die Finanzierung benötigt werden. Erst zum Zeitpunkt der Vermarktung fließen der Immobilie (Objektgesellschaft) Mittel zu, aus denen die Tilgung der Fremdmittel erfolgen kann. Häufig verlangen die Fremdmittelgeber, dass Zinszahlungen auch während der Projektlaufzeit kontinuierlich erfolgen.

  • Aktuell sind Projektentwicklungen, die in den letzten zwei bis vier Jahren begonnen wurden, durch die Marktentwicklungen bedroht. Explodierende Baupreise, Bauzeitverzögerungen aufgrund von Ausfällen bei Lieferanten und Nachunternehmern, Zurückhaltung der Käufer aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und eine stetig steigende Zinslast durch längere Laufzeiten haben viele Projektentwicklungen in eine wirtschaftliche Schieflage gebracht.

Immobilienentwickler und Finanzierer stehen vor der Situation, dass ein ggf. noch nicht abgeschlossenes Bauwerk noch baulich vollendet werden muss, die finanziellen Mittel jedoch aufgrund der Kostensteigerungen und Bauzeitverzögerungen vollständig ausgeschöpft sind. Um beurteilen zu können, ob eine Fertigstellung wirtschaftlich noch anzustreben ist, bietet der IBR eine effiziente und zeitnahe Möglichkeit der Validierung und Verifizierung des ursprünglichen Geschäftsmodells der Immobilie vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Basiselemente Immobilien IBR

Der Aufbau eines IBR im Bereich der Immobilien orientiert sich sehr stark an dem Geschäftsmodell der jeweiligen Projektenwicklung. Es empfiehlt sich, die Gliederung gemeinsam mit dem Immobilienentwickler aufzustellen und mit den finanzierenden Geldgebern abzustimmen, damit der Inhalt auch den Erwartungshaltungen der berechtigten Interessenten entspricht.

Kernelemente eines IBR im Bereich der Immobilien

a. Mikro- und Makroumfeld der Immobilie

Vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen für den jeweiligen Immobilientyp und die Lage der Immobilie sind die Vermarktungschancen hinsichtlich Verkauf und Vermietung zu prüfen. Über Vergleichsobjekte in der näheren und weiteren Umgebung werden vergangenheitsorientierte Kennzahlen ermittelt. Die möglichen Zukunftsszenarien werden über Einschätzungen von Experten erfasst, um in der Verbindung aus vergleichbaren Objekten im räumlichen Umfeld der Immobilie und den Zukunftsszenarien eine mögliche Obergrenze für Verkauf und Vermietung zu ermitteln.

b. Stand der Planung und Fertigstellung der Baumaßnahme

Die ggf. überschrittene Zeitplanung für die Realisation des Projektes führt in der Regel dazu, dass das Bauwerk noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Die Erfassung und Bewertung der zum Betrachtungszeitpunkt erbrachten Planungsleistung der Architekten und Fachplaner sowie die Beurteilung der am Bauwerk erbrachten Bauleistung ist ein zentraler Bestandteil des IBR. Hierbei sind auch Fragen zu aufgetretenen Planungs-oder Baumängeln, Nachtragsforderungen der ausführenden Unternehmen und behördlichen Auflagen zu berücksichtigen. Neben der qualitativen Beurteilung der erbrachten Leistung gilt es die Kostenentwicklung zu verfolgen. Die DIN 276 bietet hier eine allgemeingültige Struktur der Kostenverfolgung von der Kostenkalkulation zum Zeitpunkt der Projektidee bis zur Kostenfeststellung zum Betrachtungszeitpunkt.

c. Stand der Finanzierung

Im Zuge der Ermittlung der Ausgangssituation ist die Finanzierung zu beleuchten. Dies bezieht sich auf die laufenden Finanzierungsverträge, den Stand der Darlehen, die aufgelaufenen Zinsen und ggf. anstehende Nachfinanzierungen, die in der Regel von einer positiven Einschätzung der Vermarktungsmöglichkeiten abhängig sind.

d. Validierung der Restleistung für Planung und Bauleistung

Auf Basis der validierten Ist-Situation sind die noch notwendigen Planungs– und Bauleistungen inhaltlich und zeitlich zu validieren, um einen möglichen Zeitpunkt für die Gesamtfertigstellung zu überprüfen bzw. festzulegen. Der sich somit als „wahrscheinlich“ ergebende Fertigstellungstermin ist der Ausgangspunkt für die Fortschreibung der noch notwendigen Planungs– und Baukosten. Mittels der der Struktur der DIN 276 wird die Kostenplanung auf Basis der jeweiligen Gewerke bis zum erwarteten Fertigstellungszeitpunkt erstellt.

e. Integrierte Planung

Die integrierte Planung führt die zum Betrachtungszeitpunkt aufgelaufenen Kosten aus dem Rechnungswesen der Projektentwicklung mit der Kostenplanung für die Fertigstellung nach DIN 276 sowie die noch notwendigen Finanzierungen und Finanzierungskosten in einer integrierten Planungsrechnung zusammen. Im Ergebnis kann ermittelt werden, in welcher Höhe ein Vermarktungserlös erzielt werden muss, um mindestens kostendeckend gearbeitet zu haben oder ggf. nur die Fremdkapitalgeber ablösen zu können. Der Vergleich mit den in der aktuellen Situation erwartbaren Vermarktungserlösen beantwortet die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, dass diese Erlöse auch zum Planungszeitpunkt erzielt werden können.

Fazit

Mittels eines Independent Business Reviewer (IBR) und einer speziell auf die Immobilienentwicklung abgestimmten Struktur der Ausarbeitung können die Besonderheiten der Immobilienbranche abgebildet und mit den Kernkomponenten eines klassischen Sanierungskonzepts in Einklang gebracht werden. Somit liegt für die Adressaten ein aussagefähiges Review des Geschäftsmodells vor. Die Kosten der Erstellung eines IBR liegen in der Regel unter den Kosten der Erstellung eines Gutachtens nach dem Standard IDW S6.