Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren (StaRUG)

Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren durch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG)

Ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) eignet sich besonders für Unternehmen, die frühzeitig präventive Maßnahmen zur Sicherung ihrer Stabilität und Zukunftsfähigkeit ergreifen wollen, ohne ein Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen. Dieser Beitrag informiert Sie über die Voraussetzungen, den Ablauf und wichtige Details dieses Verfahrens.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kontext: Wirtschaftliche Krisen, verschärft durch die Corona-Pandemie und andere globale Faktoren, führen zu einer steigenden Zahl von Unternehmensinsolvenzen. Präventive Sanierungsmaßnahmen wie das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren werden immer wichtiger.
  • StaRUG: Seit dem 1. Januar 2021 ermöglicht das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) Unternehmen, eine drohende Insolvenz durch präventive Restrukturierungsmaßnahmen abzuwenden.
  • Besonderheiten: Das StaRUG erlaubt es, Restrukturierungen auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzuführen, inklusive Verhandlungen mit ausgewählten Gläubigern und unter Nutzung von Verfahrenshilfen gegen opponierende Gläubiger.
  • Frühwarnsystem: Unternehmen müssen ein Frühwarnsystem einführen, welches das Management verpflichtet, frühzeitig auf wirtschaftliche Krisen zu reagieren, um eine persönliche Haftung zu vermeiden.
  • Gerichtliche Beteiligung: Das Verfahren kann weitgehend ohne Gericht erfolgen, außer wenn besondere Verfahrenshilfen nötig sind. Gerichte können z. B. Vollstreckungs- oder Verwertungsverbote im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren anordnen.
  • Praktische Anwendung: Erste Erfahrungen zeigen, dass das StaRUG effektiv zur Sanierung und Neuausrichtung von Unternehmen genutzt werden kann, auch in Bezug auf Gesellschafterrechte.
  • Änderungen der Insolvenzordnung: Die Insolvenzordnung wurde weiterentwickelt, um die Sanierungsoptionen zu erweitern und gleichzeitig die Rechte der Gläubiger zu stärken.
  • Digitalisierung: Das StaRUG fördert den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel und virtueller Gläubigerversammlungen.

1. Der Hintergrund des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG)

Spätestens mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen endete die jahrelange konjunkturelle Hochphase. Weitere konjunkturelle Störfaktoren wie der Krieg in der Ukraine, spürbare Zinserhöhungen und Inflation führen zu einer insgesamt angespannten Wirtschaftslage, die bei Unternehmen und Unternehmern deutliche Spuren hinterlässt. Unternehmenskrisen nehmen zu und die Insolvenzzahlen sind zuletzt kontinuierlich gestiegen. In diesem Kontext gewinnen Sanierung und Restrukturierung, Transformation und Geschäftsfeldanpassung an Bedeutung. Die Fähigkeit, eine drohende Insolvenz durch gezielte Maßnahmen abzuwenden, wird für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen immer wichtiger.

Im Rahmen der Restrukturierungs- und Sanierungsberatung kann die plenovia Sie bei der Vorbereitung und Begleitung eines solchen Verfahrens kompetent beraten und unterstützen. 

2. Worum geht es bei dem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren?

Unter dem Leitgedanken einer „zweiten Chance“ sollen sich wirtschaftlich bedrohte Unternehmen zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens präventiv restrukturieren können, indem sie sich im Rahmen eines Gesamtkonzeptes mit einer qualifizierten Mehrheit ihrer Gläubiger auf Sanierungsbeiträge verständigen. Dies war im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung (ESUG) auch bislang schon möglich, allerdings nur innerhalb eines Insolvenzverfahrens. Mit den neuen Regelungen des StaRUG wird es nun möglich, solche Restrukturierungen präventiv und außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzuführen

3. Wie funktioniert das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG)?

Im deutschen Sanierungsrecht fehlten bislang spezielle Regelungen für die Durchsetzung und Umsetzung von Sanierungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Diese Lücke schließt nun das StaRUG.

a. Besonderheiten der vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens

Eine Besonderheit der außerinsolvenzlichen Sanierung nach dem StaRUG besteht darin, dass es – anders als nach dem ESUG, welches eine Einigung mit allen Gläubigern verlangt – nunmehr auch möglich ist, nur mit ausgewählten Kreditgebern oder Gläubigergruppen außerhalb eines Insolvenzverfahrens Beiträge und Unterstützungsmaßnahmen zu vereinbaren. Eine bilaterale, allseitige Verständigung zwischen einem Unternehmen und seinen Forderungsinhabern ließ unser Rechtssystem zwar im Rahmen der Privatautonomie auch schon in der Vergangenheit jederzeit zu. Künftig wird dies aber durch ein neues Verfahren, die Sanierungsmoderation, die ebenfalls im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen geregelt ist, noch zielgerichteter und strukturierter möglich sein. Dieses Verfahren bietet Unternehmen in der Insolvenz die Möglichkeit einer gezielten und strukturierten Sanierung.

b. Umgang mit opponierenden Gläubigern und Verfahrenshilfen

Wie verhält es sich aber, wenn sich ein oder mehrere Gläubiger aus oft sachfremden Gründen einer mehrheitlich gewollten Sanierung widersetzen? In diesem Fall konnte der Schuldner bislang nur darauf verwiesen werden, eine zwangsweise Einbindung der opponierenden Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung (ESUG) zu versuchen. Mit dem StaRUG werden nun Verfahrenshilfen geschaffen, mit denen eine von der Gläubigermehrheit getragene Sanierung auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegen den Widerstand opponierender Gläubiger oder Anteilseigner durchgesetzt werden kann.

c. Frühwarnsystem und Managementpflichten im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren

Durch die Einführung eines flächendeckenden Frühwarnsystems (§§ 1, 101 und 102 StaRUG) wird das Management künftig jedoch noch stärker in die Pflicht genommen, sich regelmäßig über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu informieren und bei Anzeichen einer Krise gegenzusteuern. Werden diese Pflichten vernachlässigt, droht die persönliche Haftung.

d. Präventiver Restrukturierungsrahmen und Gläubigerrechte

Stellt die Geschäftsleitung eine drohende, aber noch nicht eingetretene Zahlungsunfähigkeit fest, kann sie auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans eine Verständigung mit allen oder nur mit ausgewählten Gläubigern suchen. Im Zuge dessen können auch Sicherungsrechte von Gläubigern restrukturiert und umgestaltet werden.

Ein Eingriff in Zahlungsansprüche aus Arbeitsverhältnissen oder Pensionszusagen ist jedoch ausgeschlossen. Ebenso besteht aktuell auch noch nicht die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung von langlaufenden Verträgen und Dauerschuldverhältnissen. Beides ist jedenfalls derzeit nur im ESUG-Verfahren möglich.

Maßgeblich beim StaRUG-Verfahren ist, dass bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan die Mehrheit der gebildeten Gläubigergruppen mit jeweils 75 Prozent der vertretenen Forderungen zustimmt.

e. Gerichtliche Beteiligung und Entscheidungen

Das Verfahren kann grundsätzlich ohne Einbindung des Gerichts durchgeführt werden. Die Beteiligung des Gerichts ist jedoch erforderlich, wenn besondere Verfahrenshilfen in Anspruch genommen werden. So kann das Gericht zum Schutz des schuldnerischen Unternehmens Vollstreckungs- und Verwertungsverbote für grundsätzlich drei Monate anordnen oder die Zustimmung ablehnender Gläubiger(gruppen) ersetzen, wenn diese durch die Planlösung nicht schlechter gestellt werden als ohne.

Die Abstimmung über den Plan und seine Bestätigung kann auch der Justiz übertragen werden. Tritt während des Verfahrens Zahlungsunfähigkeit ein, obliegt es dem Gericht zu entscheiden, das Restrukturierungsverfahren aufzuheben oder fortzusetzen. Darüber hinaus fällt es in die Zuständigkeit der Justiz, in bestimmten Fällen einen Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung und/oder Kontrolle des Schuldners zu bestellen. Auf dessen Auswahl kann der Schuldner maßgeblichen Einfluss nehmen.

f. Praktische Erfahrungen mit dem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren

Inzwischen liegen erste praktische Erfahrungen mit dem StaRUG vor und auch verschiedene Gerichtsentscheidungen. Das Restrukturierungsverfahren ist in der Praxis angekommen. Zuletzt wurde das Verfahren gezielt dazu genutzt, um zum Zwecke der Sanierung, Finanzierung und Neuausrichtung von Unternehmen auch in Gesellschafterrechte einzugreifen. So ermöglicht das StaRUG die Übertragung von Mitgliedschaftsrechten sowie Kapitalmaßnahmen unter Ausschluss von Bezugsrechten der Anteilseigner.

4. Welche Änderungen der Insolvenzordnung ergeben sich aus dem StaRUG?

Im Zuge der Einführung des StaRUG wurden auch die im Rahmen des ESUG bestehenden Sanierungsoptionen der Insolvenzordnung mit dem Ziel weiterentwickelt, betroffenen Unternehmen die Möglichkeit einer Eigensanierung unter verstärkter Wahrung von Gläubigerrechten zu schaffen.

Diese Sanierungsmöglichkeit soll künftig nur noch solchen Unternehmen zur Verfügung stehen, die das Eigenverwaltungsverfahren sorgfältig und gewissenhaft vorbereiten und betreiben. So muss bereits bei Antragstellung ein Finanzplan für die nächsten sechs Monate sowie ein Grobkonzept vorgelegt werden, um den Anforderungen der neuen Richtlinie zu entsprechen. In Konsequenz dessen besteht künftig ein Anspruch auf ein erläuterndes Vorgespräch mit dem Gericht.

Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern, Finanzamt, Sozialkassen oder Lieferanten können ebenso zum Verfahrensausschluss führen wie die Vernachlässigung von Buchführungspflichten. Der Insolvenzgrund der Überschuldung wird konkretisiert, um den Schuldner aus dem Abgrenzungsdilemma zwischen dem Insolvenzgrund der Überschuldung (Antragspflicht) und der drohenden Zahlungsunfähigkeit (Antragsrecht, aber keine Antragspflicht) zu befreien. Umsatzsteuerverbindlichkeiten werden nunmehr auch im Eigenverwaltungsverfahren zugunsten des Fiskus privilegiert.

5. Wie kann die Digitalisierung StaRUG-Verfahren effizienter gestalten?

Zur Effektuierung der insolvenzrechtlichen und restrukturierungsrechtlichen Verfahren soll durch das StaRUG der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel gefördert werden. Dazu gehören die Ermöglichung virtueller Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren und Erleichterungen bei der Forderungsanmeldung (Art. 5 Nr. 20) sowie die Verpflichtung der Verwalter zur Führung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems (Art. 5 Nr. 5).

Der Erfolg eines außerinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG hängt im Einzelfall maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die beteiligten Gläubiger von der Sanierung zu überzeugen. Möglich und realistisch ist dies mit einem belastbaren Restrukturierungskonzept, das auf einer verlässlichen integrierten Unternehmensplanung beruht. Auch hierbei können wir Sie im Rahmen unserer Restrukturierungsberatung und Sanierungsberatung umfassend, kompetent und tatkräftig unterstützen. Unsere erfahrenen Berater stehen Ihnen zur Seite, um die bestmöglichen Lösungen für Ihr Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen.

6. Fazit: Wann lohnt sich das StaRUG für Unternehmen in der Krise?

Insgesamt lohnt sich das StaRUG für Unternehmen, die frühzeitig präventive Maßnahmen ergreifen möchten, flexible außergerichtliche Einigungen anstreben und in der Lage sind, die Anforderungen an eine sorgfältige und gewissenhafte Verfahrensvorbereitung zu erfüllen. Durch die Nutzung dieses Instruments können Unternehmen ihre Stabilität und Zukunftsfähigkeit nachhaltig sichern und ein Insolvenzverfahren zu vermeiden.

Sie interessieren sich für die Möglichkeit der vorinsolvenzlichen Sanierung und suchen professionelle Unterstützung? Sie haben Fragen zu den Voraussetzungen und zum Ablauf? Die Beraterinnen und Berater der plenovia stehen Ihnen gerne für ein kostenloses Erstgespräch zur Verfügung. Bitte zögern Sie nicht und sprechen Sie uns an – per Kontaktformular, telefonisch oder per E-Mail. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

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