Das deutsche Insolvenzrecht schreibt in § 15a InsO eine Insolvenzantragspflicht vor, wonach der Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG bei Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens binnen drei Wochen, einen Insolvenzantrag zu stellen hat.

  • Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel eingetreten, wenn das Unternehmen zum Stichtag nicht in der Lage ist, 90 Prozent seiner bereits fälligen Verbindlichkeiten mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zu bezahlen.
  • Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die Schulden nicht mehr deckt und keine positive Fortführungsprognose vorliegt. Die positive Fortführungsprognose ist dabei ein Konzept, aus welchem schlüssig hervorgeht, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens auch zukünftig gegeben ist.

Aktuelle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt nur für pandemiebedingte Krisen

Aktuell ist die Insolvenzantragspflicht bis Ende April 2021 ausgesetzt – jedoch nur dann, wenn die Krise des Unternehmens pandemiebedingt ist und mit Hilfe von beantragten Coronahilfen die Insolvenzreife des Unternehmens beseitigt werden kann.

Hierbei liegt bei den meisten Unternehmen zunächst das Augenmerk auf der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit, die mit Gewährung staatlicher Mittel wieder eintreten soll. Ob aber mittels dieser staatlichen Zuschüsse auch eine Überschuldung ab April 2021 vermieden werden kann, muss ebenfalls sorgfältig geprüft werden.

Wertberichtigungen erhöhen die Überschuldungsgefahr

Insbesondere Unternehmen des stationären Einzelhandels haben als Folge der COVID-19-Pandemie im Geschäftsjahr 2020 hohe operative Verluste erwirtschaftet, welche die Eigenkapital-Ausstattung bereits stark geschmälert haben. Mit den anhaltenden Schließungen bis in den März 2021 und evtl. auch länger, drohen nun im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten zusätzliche hohe Wertberichtigungen, die das Eigenkapital weiter reduzieren werden. Insbesondere saisonale Waren, wie beispielsweise eine Winterkollektion in den Warenbeständen, werden wissentlich, dass die Geschäfte nicht mehr bis zum Frühlingsbeginn geöffnet wurden, nahezu vollständig abgewertet werden müssen. Diese Wertberichtigung schmälert das Eigenkapital weiter und erhöht die Überschuldungsgefahr und damit die Insolvenzreife.

Handlungsempfehlung

Kann mit Hilfe der staatlichen Förderungen die Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen werden, muss zusätzlich geprüft werden, ob das Vermögen des Unternehmens weiterhin die Schulden deckt. Ist dies nicht gegeben besteht noch keine Insolvenzantragspflicht. Die Geschäftsführung muss jedoch, um Haftungsgefahren ihrerseits zu vermeiden, eine positive Fortführungsprognose vorweisen können, aus der hervorgeht, dass das Unternehmen auch zukünftig seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann.

Eine reine Finanzplanung des Unternehmens reicht hierzu nicht aus, sondern es muss vielmehr ein in sich schlüssiges Konzept erstellt werden, welches für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar ist. Hinsichtlich der Struktur des Konzeptes empfiehlt sich daher ein Aufbau in Anlehnung an den IDW Standard S 6.

Bezüglich des Prognosezeitraums bietet aktuell noch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) Erleichterungen, welches für das Geschäftsjahr 2021 den Prognosezeitraum der Überschuldungsprüfung von zwölf auf vier Monate reduziert hat. Von diesem verkürzten Prognosezeitraum können jedoch nur Unternehmen Gebrauch machen, bei denen gemäß § 4 COVInsAG folgende drei Kriterien gelten:

  • Das Unternehmen war am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig,
  • das Unternehmen hat im letzten, vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet und
  • der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ist im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen.

Hierbei sollte beachtet werden, dass durch den möglicherweise verkürzten Prognosezeitraum zwar die Insolvenzantragspflicht übergangsweise ausgesetzt ist, dass aber nach Ablauf dieser Frist eine Lösung für eine etwaige danach eintretende Überschuldung gefunden sein muss.

Aus diesem Grund empfehlen wir, dass der Planungszeitraum der Fortführungsprognose mindestens das laufende sowie das darauffolgende Geschäftsjahr umfassen sollte. Insbesondere beim saisonal schwankenden Geschäft des stationären Einzelhandels, muss sichergestellt sein, dass die Warenvorfinanzierungen rechtzeitig erfolgen können und der zusätzliche Kapitaldienst aus in der Coronapandemie vereinbarten Stundungen oder Neuverschuldungen auch bedient werden kann.

Die plenovia kann Ihnen sowohl bei der Erstellung einer belastbaren Fortführungsprognose als auch der Identifizierung möglicher Einsparpotenziale helfen. Gerne stehen wir für Ihre Fragen bereit und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.