Experteninterview mit Manager Finance Ingo Pfersdorf

Herr Pfersdorf, Sie sind in der Unternehmensberatung tätig und beraten Unternehmen, die insolvenzgefährdet sind. Akute Liquiditätsprobleme sind häufig der Anlass für ein erstes Beratungsgespräch. In diesem Interview möchten wir von Ihnen erfahren, was aus Ihrer Sicht die häufigsten Ursachen für Liquiditätsengpässe sind, wie man diese frühzeitig erkennt und welche Maßnahmen Sie empfehlen, um effektiv gegenzusteuern.

Welche Faktoren führen Ihrer Meinung nach am häufigsten zu Liquiditätsengpässen in Unternehmen?

Aus meiner Erfahrung gibt es fünf Faktoren, die oft zu Liquiditätsengpässen führen.

Erstens: Schwache Umsätze. Damit meine ich zum einen den Umsatzrückgang aufgrund von Marktschwankungen und zum anderen den Nachfragerückgang aufgrund von Krisen, Lieferengpässen oder Lieferverzögerungen.

Zweitens: Unzureichendes Forderungsmanagement. Dazu gehören Zahlungsverzögerungen von Kunden aufgrund von mangelhaftem Forderungsmanagement und ausbleibende Zahlungen, die dann zu Forderungsausfällen führen.

An dritter Stelle sehe ich übermäßige Ausgaben: Dazu zählen hohe Betriebskosten, ineffiziente Prozesse, hohe Fixkosten und das Vorhalten von Personal und Maschinen in der Erwartung wieder steigender Umsätze.

Dann kommt die Verschuldung hinzu: Kurzfristige Schulden oder Kreditverpflichtungen, die nicht rechtzeitig bedient werden können ‒ derzeit häufig durch anstehende Tilgungen von KfW-Darlehen.

Schließlich gibt es den Faktor Saisonalität: Unternehmen, die saisonalen Schwankungen unterliegen, haben in bestimmten Zeiträumen Engpässe.

Welche kurzfristigen Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, um akute Liquiditätsprobleme zu bewältigen?

Zur Bewältigung akuter Liquiditätsprobleme sind verschiedene kurzfristige Maßnahmen zu empfehlen:

Maßnahme eins ist der Aufbau einer kurzfristigen Liquiditätsplanung, die nicht nur einmalig, sondern regelmäßig, meist wöchentlich, aktualisiert werden sollte, damit Liquiditätsengpässe frühzeitig erkannt werden und der Liquiditätsbedarf ersichtlich ist.

Maßnahme zwei ist die Kostenreduzierung, also die kritische Überprüfung und Kürzung von nicht unbedingt betriebsnotwendigen Ausgaben.

Als dritte Maßnahme empfehle ich ein striktes Forderungsmanagement, also das aktive Einfordern offener Rechnungen durch konsequente Einhaltung von Mahnstufen und das Anbieten von Anreizen für frühere Zahlungen oder auch die Vereinbarung einer Vorauszahlung. Weiterhin sollte der Einsatz von Factoring geprüft werden.

Maßnahme 4 sind Verhandlungen mit Lieferanten: Hier geht es um das Aushandeln von Zahlungsbedingungen mit Lieferanten, um kurzfristige Zahlungserleichterungen zu erreichen.

Letztlich ist die kurzfristige Finanzierung zu nennen. Damit meine ich die Prüfung von kurzfristigen Finanzierungsoptionen wie Kreditlinien oder Überbrückungskredite.

Welche Rolle spielt in solchen Situationen die Schnelligkeit, mit der auf Liquiditätsengpässe reagiert wird?

Die Reaktionsgeschwindigkeit ist entscheidend. Je schneller ein Unternehmen auf Liquiditätsprobleme reagiert, desto größer sind die Chancen, diese erfolgreich zu bewältigen. Verzögerungen können die Situation verschärfen und die Handlungsoptionen einschränken.

Warum ist die Kommunikation mit Banken und Lieferanten in dieser Phase wichtig

Die Kommunikation mit Banken und Lieferanten ist von großer Bedeutung, weil sie Vertrauen schafft und Lösungen ermöglicht. Banken können Unterstützung in Form von Krediten oder Umschuldungen anbieten, während Lieferanten die finanzielle Belastung durch angepasste Zahlungsbedingungen reduzieren können.

Welche langfristigen Maßnahmen empfehlen Sie, um Liquiditätsengpässe nachhaltig zu vermeiden?

Zu den langfristigen Praktiken zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen gehört zunächst ein effizientes System zur fortlaufenden Überwachung des Geschäftsbetriebs, das sogar der Gesetzgeber im Rahmen des StaRUG, dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, vorsieht. Verbunden damit ist das Ziel, unternehmensgefährdende Situationen frühzeitig zu erkennen. Dazu gehört u. a. die kontinuierliche Überwachung der Liquiditätsentwicklung.

Damit einher gehen sollte eine Kostenkontrolle, also die kritische Überprüfung der Ausgaben und Implementierung von Kosteneinsparungen.

Hinzu kommen muss das Forderungsmanagement, das heißt klare Zahlungsbedingungen, Überwachung der Forderungen und Anreize für frühzeitige Zahlungen sowie die kurz- und langfristige Liquiditätsplanung. Letztere beinhaltet die Entwicklung einer langfristigen Liquiditätsstrategie und die Berechnung verschiedener Szenarien.

Nicht zuletzt ist auch die Diversifizierung ein probates Mittel: Die Verringerung der Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Märkten kann sehr hilfreich sein

Was raten Sie betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern?

Die konkreten Maßnahmen hängen von der individuellen Situation des Unternehmens ab und erfordern eine gründliche Analyse und Planung. Es ist wichtig, frühzeitig zu handeln und professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, um die finanzielle Gesundheit des Unternehmens wiederherzustellen. Betroffene Unternehmer können bei Fragen jederzeit gerne mit uns Kontakt aufnehmen.

Herr Pfersdorf, wir danken Ihnen für das Gespräch.