In einem sich ständig verändernden wirtschaftlichen Umfeld sind Unternehmen mehr denn je gefordert, flexible und nachhaltige Finanzierungsstrategien zu entwickeln. In unserem heutigen Interview werfen wir gemeinsam mit Project Manager Finance Ingo Pfersdorf, plenovia, einen detaillierten Blick auf vier wichtige Finanzierungsformen: Factoring, Sale-and-Lease-Back, Forfaitierung und Crowdfinanzierung. Wir beleuchten die Definitionen sowie die Vor- und Nachteile dieser Finanzierungsoptionen und geben Ihnen Einblicke, wie diese Instrumente zur Verbesserung der Liquidität, Risikominimierung und Kapitalbeschaffung beitragen können.

Herr Pfersdorf, heute sprechen wir über Finanzierungsoptionen wie Factoring, Sale-and-Lease-Back, Forfaitierung und Crowdfunding. Was ist unter Factoring zu verstehen und können Sie uns zunächst die Vorteile des Factorings skizzieren?

Sehr gerne. Zunächst zur Definition: Factoring bezeichnet den Verkauf von fortlaufenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an einen spezialisierten Finanzdienstleister, den Factor. Factoring bietet Unternehmen dabei zahlreiche Vorteile. Zum einen führt der Verkauf von Forderungen zu einer unmittelbaren Liquiditätszufuhr – das verbessert die Liquiditätslage und Zahlungsfähigkeit des Unternehmens. Zum anderen wird das Ausfallrisiko auf den Factor übertragen, was für das Unternehmen eine Risikominderung bedeutet. Der Factor übernimmt zudem das Debitorenmanagement, was zu einer signifikanten Reduzierung der Verwaltungskosten und des administrativen Aufwands führt. Schließlich verbessert Factoring die Bilanzstruktur des Unternehmens, da die Forderungen aus der Bilanz entfernt werden und somit die Eigenkapitalquote erhöht wird.

Und welche Nachteile sind mit Factoring verbunden?

Die Nachteile des Factorings liegen vor allem in den Kosten. Factoring ist in der Regel teurer als traditionelle Bankkredite, da sowohl Gebühren als auch Zinsen anfallen. Darüber hinaus kann eine starke Abhängigkeit vom Factor entstehen. Ein weiterer Nachteil ist der mögliche Verlust der direkten Kundenbeziehung, da der Factor die Kommunikation und das Mahnwesen übernimmt. Schließlich können lange Vertragslaufzeiten und feste Vertragsbedingungen die Flexibilität des Unternehmens erheblich einschränken.

Kommen wir zum Sale-and Lease-Back. Um welche Finanzierungsform handelt es sich hierbei und worin sehen Sie deren Vorteile?

Sale-and-Lease-Back bezeichnet eine Finanzierungsform, bei der ein Unternehmen Vermögenswerte verkauft und diese anschließend vom Käufer „zurückleast“. Dies ermöglicht es Unternehmen, sofortige Liquidität durch den Verkauf von Vermögenswerten zu generieren, während sie diese weiterhin nutzen können. Dies führt zu einer Bilanzverkürzung und verbessert die Eigenkapitalquote des Unternehmens. Zudem können die Leasingraten steuerlich geltend gemacht werden, was einen weiteren finanziellen Vorteil darstellt.

Und die Nachteile dieser Finanzierungsoption?

Ein wesentlicher Nachteil sind die langfristigen Kosten, da Leasing auf lange Sicht teurer sein kann als der Besitz der Vermögenswerte. Außerdem verliert das Unternehmen das Eigentum an den Vermögenswerten, was die strategische Flexibilität einschränken kann. Langfristige Leasingverträge können ebenfalls die Flexibilität mindern. Zudem sind die Leasingraten oft von der Bonität des Unternehmens abhängig und können bei schlechter Bonität entsprechend hoch ausfallen.

Herr Pfersdorf, könnten Sie uns den Begriff und die Vorteile der Forfaitierung erläutern?

Forfaitierung ist der Verkauf von mittel- bis langfristigen Forderungen, häufig im internationalen Handel, an einen Forfaiteur. Die Forfaitierung bietet Unternehmen sofortige Liquidität durch den Verkauf ihrer zukünftigen Forderungen. Forfaitierung bedeutet „im Paket verkaufen“. Ein wesentlicher Vorteil ist der vollständige Risikotransfer, da das Zahlungsausfallrisiko vollständig auf den Forfaiteur übergeht. Zudem verbessert sich die Bilanz des Unternehmens, da die Forderungen ausgebucht werden. Ein weiterer Vorteil ist die Kostensicherheit: Es entstehen keine zusätzlichen Kosten durch Währungsschwankungen oder Zinserhöhungen, weil diese Risiken ebenfalls auf den Forfaiteur übertragen werden. Im Unterschied zum Factoring, bei dem die fortlaufenden Forderungen mit geringeren Beträgen verkauft werden, handelt es sich bei der Forfaitierung um den Verkauf einer einzelnen Forderung mit einem hohen Betrag.

Das klingt gut, aber sicherlich gibt es auch hier Nachteile?

Ja, es gibt auch Nachteile bei dieser Finanzierungsoption. Forfaitierung ist häufig teurer als traditionelle Finanzierungsmethoden, da Risikoprämien und Bearbeitungsgebühren anfallen. Der Prozess kann zudem komplex und zeitaufwendig sein, insbesondere bei internationalen Transaktionen. Nicht alle Arten von Forderungen eignen sich für die Forfaitierung, was die Marktverfügbarkeit einschränken kann. Schließlich können auch hier langfristige Vertragsbindungen die Flexibilität des Unternehmens negativ beeinflussen.

Danke, Herr Pfersdorf. Können wir zum Abschluss noch über die Crowdfinanzierung sprechen? Worin sehen Sie hier die Vorteile?

Crowdfinanzierung oder auch Crowdfunding bezeichnet die Beschaffung von Kapital durch eine Vielzahl von Personen, oft über spezialisierte Online-Plattformen. Sie bietet Unternehmen Zugang zu Kapital, das über traditionelle Finanzierungswege nur schwer zu beschaffen wäre. Zudem ermöglicht sie, das Produkt oder die Idee auf dem Markt zu testen und Feedback von potenziellen Kunden zu erhalten. Eine Crowdfunding-Kampagne kann auch einen erheblichen Marketingeffekt verschaffen und die Sichtbarkeit des Unternehmens erhöhen. Ein weiterer Vorteil ist die Unabhängigkeit, da die Finanzierung ohne Abgabe von Unternehmensanteilen oder Kontrollrechten erfolgt.

Das hört sich vielversprechend an. Aber worin sehen Sie die Nachteile?

Der Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne ist nicht garantiert, und es besteht die Gefahr des Scheiterns. Zudem fallen Plattformgebühren und Kosten für Belohnungen oder Rückzahlungen an. Die Vorbereitung und Durchführung einer Kampagne erfordert erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand. Schließlich besteht ein gewisses Risiko durch die Offenlegung von Geschäftsideen und -plänen, was Nachahmungen oder Ideenklau fördern kann.

Herr Pfersdorf, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Fazit

Factoring, Sale-and-Lease-Back, Forfaitierung und Crowdfinanzierung bieten Unternehmen eine breite Palette an Möglichkeiten, ihre Finanzierungsstrategie zu diversifizieren und an individuelle Bedürfnisse anzupassen. Während Factoring und Forfaitierung insbesondere durch Liquiditätszufluss und Risikotransfer punkten, eröffnen Sale-and-Lease-Back und Crowdfunding zusätzliche finanzielle Spielräume und Marktchancen. Es gilt jedoch, die jeweiligen Kosten, vertraglichen Bindungen und möglichen Risiken sorgfältig abzuwägen, um die für das Unternehmen optimale Finanzierungsstrategie zu wählen. Letztlich erfordert die Wahl der richtigen Finanzierungsform eine sorgfältige Analyse der Unternehmensziele und der aktuellen Marktbedingungen.