Dieser Artikel bietet eine umfassende Einführung in ESG-Nachhaltigkeitsberichte nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Er beleuchtet die Bedeutung von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) für Unternehmen und erklärt die neuen Berichtspflichten unter der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Der Leitfaden zeigt, wie Unternehmen die Anforderungen der ESG-Kriterien erfüllen können, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Geschäftsentwicklung zu gewährleisten.

I. Einführung: Was ist ESG?

ESG steht für Environmental, Social and Governance und beschreibt Kriterien, anhand derer Unternehmen ihre Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung bewerten können. Diese Kriterien gewinnen zunehmend an Bedeutung, da Investoren und Konsumenten verstärkt Wert auf nachhaltige und verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken legen. Ein zentrales Ziel der Verordnung ist es, Kapitalströme in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und Geschäftsaktivitäten zu lenken. Die Offenlegungsverordnung schafft Transparenz für Finanzmarktakteure und Berater, die über die ESG-Kriterien informieren müssen. Besonders die Kreditinstitute spielen hierbei eine entscheidende Rolle bei der Umverteilung der Geldströme. Ihre finanziellen Vermögenswerte spiegeln Geschäftsbeziehungen wider, für die sie Verantwortung tragen – inwiefern sie dieser Verantwortung nachkommen, zeigt sich in ihren ESRS-Nachhaltigkeitsberichten, spezifischen Taxonomie-Kennzahlen (insbesondere der Green-Asset-Ratio) sowie in ihren Offenlegungsberichten.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Zinsen bei der Neukreditvergabe an die Risikobewertung des Kreditnehmers angepasst werden. Da die ESG-Bewertung bald Teil dieser Risikobewertung sein wird, hat sie direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit finanzieller Mittel für Unternehmen und damit erhebliche Auswirkungen auf deren Fortbestand und Expansionsmöglichkeiten.

ESG-Kriterien sind für Unternehmen nicht nur ein Indikator für gesellschaftliche Verantwortung, sondern auch ein wichtiger Faktor für langfristige Wertschöpfung. Investoren bevorzugen zunehmend Unternehmen mit nachhaltigen Praktiken, da sie als weniger risikobehaftet und zukunftsfähiger gelten. Konsumenten fordern Transparenz und Verantwortungsbewusstsein, was Unternehmen unter Druck setzt, ESG-konforme Strategien zu implementieren.

II. ESG umfasst drei wesentliche Bereiche:

1. Umweltschutz (Environmental): Es geht um die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Umwelt, etwa Energieverbrauch, Ressourcenumgang, Emissionsreduktion und Biodiversitätsschutz.

2. Soziale Verantwortung (Social): Hier stehen Beziehungen zu Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und der Gesellschaft im Vordergrund. Relevante Themen sind Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Gleichstellung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie gesellschaftliches Engagement.

3. Unternehmensführung (Governance): Interne Praktiken und Richtlinien, die Führung, Prüfungen und Kontrollen betreffen. Transparenz, Ethik, Korruptionsbekämpfung und die Zusammensetzung des Vorstands sind zentrale Aspekte.

Bei der Betrachtung der zuvor genannten Bereiche dürfen die folgenden Leitlinien nicht außer Acht gelassen werden, da sie den Rahmen für den Bericht bilden und die Weiterentwicklung hin zu einem nachhaltigen Unternehmen vorantreiben sollen.

• Strategie und Geschäftsmodell
Im Mittelpunkt des Berichts stehen die Identifikation und der Umgang mit ESG-Risiken. Der Einfluss und die Berücksichtigung von ESG-Risiken in der Unternehmensstrategie und im Geschäftsmodell sowie die Einbindung von Stakeholdern („Betroffene“) in diesen Prozess sind entscheidend. Unternehmen sollten Leistungs- und Risikomanagementziele aus ihrer Gesamtstrategie ableiten und klar definieren, wie sie Prozesse zur Identifizierung, Bewertung und Reaktion auf Risiken gestalten.

• Governance (GOV)
Die ESG-bezogene Kompetenz und Zuständigkeit in Leitungsgremien, ESG-bezogene Berichtslinien und Anreizgestaltungen sowie die Berücksichtigung von ESG-Faktoren in internen Kontroll- und Risikomanagementsystemen sind wesentliche Bestandteile der Governance. Die Organisationsstruktur, Mission, Vision, Werte und Anreizsysteme spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

• Nachhaltigkeitsrisiken identifizieren (IRO)
Unternehmen müssen wesentliche aktuelle und potenzielle Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit sowie ihrer Geschäftsbeziehungen in der Wertschöpfungskette auf Menschen und die Umwelt identifizieren. Dies umfasst auch die Bewertung finanzieller Effekte aus nachhaltigkeitsbezogenen Chancen und Risiken.

• Chancen und Risiken „managen“ (IRO)
Die Sicherstellung der Resilienz von Strategie und Geschäftsmodell sowie die Reduktion negativer und Förderung positiver Auswirkungen auf Mensch und Umwelt stehen im Vordergrund. Unternehmen müssen ihre Risikomanagementpraktiken kontinuierlich überprüfen und anpassen.

• Richtlinien/Policies (MDR-P)
Unternehmen sollten klare Rahmenbedingungen für Entscheidungen schaffen, Maßnahmen und Ressourcen (MDR-A) bereitstellen und konkrete Nachhaltigkeitsziele (MDR-T) festlegen. Zudem ist es wichtig, den Fortschritt anhand von Messgrößen (MDR-M) zu überprüfen.

III. Berichtspflicht nach CSRD: Ein Überblick

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erweitert die bisherigen Berichtspflichten für Unternehmen in der EU erheblich. Je nach Unternehmensgröße und -art müssen Unternehmen zu bestimmten Zeitpunkten ihre ESG-Berichte vorlegen:

• Berichtsjahr 2024: Große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten und Unternehmen, die bereits unter der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) berichtspflichtig waren.

• Berichtsjahr 2025: Große Unternehmen und große Gruppen.

• Berichtsjahr 2026: Kapitalmarktorientierte KMU, kleine, nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene (Rück-)Versicherungsunternehmen (mit einer Opt-Out-Option bis 2028).

• Berichtsjahr 2027: Nicht-EU-Unternehmen mit Niederlassungen oder Zweigstellen in der EU, die bestimmte Größenkriterien erfüllen.

Nachdem festgehalten wurde, welche Unternehmen zu welchem Zeitpunkt berichtspflichtig sind, werden nun die Kriterien über die berichtet werden soll, betrachtet. Diese unterteilen sich in drei Bereiche: die Querschnittstandards, die themenspezifische Standards und die Branchenstandards.

Die Querschnittstandards befassen sich mit den allgemeinen Angaben zum Unternehmen und die allgemeinen verpflichtenden Offenlegungen. Hier muss das Unternehmen alles angeben, was es zu berichten gibt, ohne eine vorherige Wesentlichkeitsanalsyse durchzuführen. Die Themenspezifischen Standards unterteilen sich in die ESG Thematik, hier müssen nur die Themen berichtet werden, die die doppelte Wesentlichkeit erfüllen. Im themenspezifischen Standard unterteilen sich die ESG Thematiken nochmal in ST und SST (Sub-Topics und Sub-Sub-Topics). Zuletzt gliedert sich der ESRS in die Branchenstandards, welche derzeit jedoch noch nicht definiert sind.

IV. Die doppelte Wesentlichkeit nach ESRS: Impact Materialität und Finanzielle Materialität

Die doppelte Wesentlichkeit ist ein zentrales Konzept der European Sustainability Reporting Standards (ESRS), das zwei Perspektiven umfasst: die Impact Materialität und die Finanzielle Materialität. Beide Aspekte werden nicht isoliert, sondern additiv betrachtet, was bedeutet, dass ein Thema bereits dann als wesentlich gilt, wenn es entweder aus der einen oder der anderen oder aus beiden Perspektiven von Bedeutung ist.

1. Impact Materialität (Inside-Out-Perspektive): Diese Perspektive betrachtet die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit, Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens auf Nachhaltigkeitsthemen wie Umwelt und Gesellschaft.

Drei Kriterien sind besonders wichtig:

• Scale (Ausmaß der Auswirkungen): Misst die Intensität der Auswirkungen, etwa Treibhausgasemissionen oder den Einfluss auf lokale Gemeinschaften.

• Scope (Umfang der Auswirkungen): Bezieht sich auf den räumlichen und thematischen Umfang der Auswirkungen, etwa global versus lokal oder auf spezifische Themen wie Biodiversität.

• Irreversibilität (Behebbarkeit der Auswirkungen): Bewertet, ob die Auswirkungen reversibel oder irreversibel sind, wie der Verlust von Biodiversität.

2. Finanzielle Materialität (Outside-In-Perspektive): Diese Perspektive fokussiert auf die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen selbst, insbesondere auf dessen finanzielle Situation. Dazu gehören:

• Scale (Ausmaß der finanziellen Auswirkungen): Bewertet, wie stark ein Nachhaltigkeitsthema die finanzielle Performance des Unternehmens beeinflussen kann, sei es durch Kosten, Nachfrageänderungen oder regulatorische Strafen.

• Scope (Umfang der finanziellen Auswirkungen): Bezieht sich auf die Breite und den Grad der finanziellen Risiken oder Chancen, die bestimmte Geschäftsbereiche oder das gesamte Unternehmen betreffen.

• Irreversibilität: Bewertet, ob finanzielle Schäden oder Gewinne langfristig das Unternehmen beeinflussen oder unumkehrbar sind, etwa Reputationsverlust oder Marktverschiebungen.

Unterschied zwischen Scale und Scope:

• Scale bezieht sich auf die Intensität der Auswirkungen – sei es der Einfluss des Unternehmens auf die Umwelt und Gesellschaft (Impact Materialität) oder der Einfluss von Nachhaltigkeitsrisiken auf das Unternehmen selbst (Finanzielle Materialität).

• Scope betrifft den Umfang oder die Reichweite dieser Auswirkungen. Während Scale eher die Tiefe des Einflusses misst, bestimmt Scope, wie weit dieser Einfluss reicht, sowohl geografisch als auch thematisch.

V. Welche Themen bespricht der ESRS mit den ESG Kriterien?

1. Environment (Umwelt)
Die Kriterien ESRS E1 bis E5 berücksichtigen die Umweltfaktoren. Hier werden alle relevanten Informationen über Klimawandel, Verschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen, Biodiversität und Ökosysteme und Ressourcenverbrauch und Kreislaufwirtschaft berichtet. Das Unternehmen muss nach den zuvor genannten Kriterien entscheiden, welche Nachhaltigkeitsthemen das Unternehmen betreffen und danach berichten.

2. Social (Soziales)
Neben den Umweltfaktoren spielen die sozialen Kriterien im ESRS E1 bis 4 eine zentrale Rolle. Dabei muss immer die Perspektive der Stakeholder berücksichtigt werden, sowohl die internen und externen als auch die primären und sekundären. Im folgenden Abschnitt wird auf die Stakeholderanalyse genauer eingegangen.

• Prozess der Stakeholderanalyse
Die Stakeholderanalyse ist ein entscheidender Schritt bei der Erstellung von ESG-Nachhaltigkeitsberichten. Sie hilft Unternehmen, relevante Stakeholder zu identifizieren und deren Erwartungen und Interessen zu verstehen, um diese in die Wesentlichkeitsanalyse zu integrieren. Der Prozess umfasst:

– Identifikation der Stakeholder: Zunächst wird eine Liste der Stakeholder erstellt, die sowohl interne Stakeholder (z. B. Mitarbeiter, Management, Aktionäre) als auch externe Stakeholder (z. B. Kunden, Lieferanten, Investoren, Regulierungsbehörden, NGOs, Medien) umfasst.

– Analyse und Priorisierung der Stakeholder: Anschließend werden die Stakeholder nach ihrem Einfluss und ihrem Interesse am Unternehmen kategorisiert und ihre Bedeutung bewertet.

– Integration in die Wesentlichkeitsanalyse: Die Ergebnisse der Stakeholderanalyse werden dann mit den internen Prioritäten des Unternehmens kombiniert, um eine Wesentlichkeitsmatrix zu erstellen. Diese Matrix hilft, die relevanten Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren und die Berichterstattung entsprechend auszurichten.

3. Governance (Geschäftsgebaren)
Hier werden Themen wie Unternehmenskultur, Schutz von Whistleblowern, Tierschutz, Lobbying und politisches Engagement, Lieferantenbeziehungen und Korruptionsprävention behandelt.

VI. Praxistipp: Schritte zur Erstellung eines ESG-Nachhaltigkeitsberichts nach ESRS

Der Prozess zur Erstellung eines ESG-Nachhaltigkeitsberichts nach ESRS ist in mehrere Schritte unterteilt:

1. Pflichtangaben nach ESRS 2 offenlegen: dabei spielt es keine Rolle, ob die Wesentlichkeit gegeben ist.

2. Ermittlung der potentiellen Themen: hier werden die zu berichtenden Themen identifiziert und im nächsten Schritt wird geprüft, ob berichtet werden soll.

3. Analyse der doppelten Wesentlichkeit: Dieser Schritt identifiziert die relevanten Bereiche der ESRS-Standards, die in den Bericht aufgenommen werden sollen.

4. Veröffentlichung qualitativer und quantitativer Informationen: Die im ESRS geforderten Informationen werden im Lagebericht des Unternehmens veröffentlicht.

5. Tagging von Datenpunkten und Abschnitten: Mit der iXBRL-Auszeichnung werden die einzelnen Positionen des Finanzberichts mit eindeutig identifizierbaren Tags versehen, um die Menschen- und Maschinenlesbarkeit zu gewährleisten.

6. Berichterstattung im European Single Electronic Format (ESEF): Die Berichte müssen in einem einheitlichen europäischen elektronischen Berichtsformat veröffentlicht werden.

7. Veröffentlichung des Berichts auf der ESAP-Plattform: Die finalisierten Berichte werden schließlich auf der ESAP-Plattform veröffentlicht, was voraussichtlich ab 2027 verpflichtend sein wird.

VII. Fazit

Die Einhaltung der ESG-Kriterien und die Berichterstattung nach den ESRS-Standards stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen, bieten aber auch Chancen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Geschäftsentwicklung. Unternehmen sollten die Anforderungen ernst nehmen und ihre Berichterstattungsprozesse entsprechend anpassen, um langfristig erfolgreich zu sein und den Erwartungen von Investoren, Konsumenten und Regulierungsbehörden gerecht zu werden. Die Analyse der doppelten Wesentlichkeit und eine gründliche Stakeholderanalyse sind dabei zentrale Elemente, um relevante Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren und transparent darüber zu berichten.

Dieser Artikel wurde im Fachmagazin Der SanierungsBerater, Ausgabe 03/2024, veröffentlicht. Hier geht es zum PDF inklusive Quellenangaben.