Warum sollten Unternehmen gerade in einem Sanierungsfall an die aufwändigen ESG-Berichte denken? Die ESG-Bewertung wird in den kommenden Jahren einen Aspekt der Neukreditvergabe bei Banken darstellen, was eine fehlende Bewertung zu einem Risikofaktor für Unternehmen macht und deshalb die Fortführungsprognose beeinflussen wird.

ESG: Die Abkürzung ESG steht für „Environmental, Social, and Governance“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Es handelt sich dabei um ein Rahmenwerk, das Unternehmen zur Bewertung und Verbesserung ihrer nachhaltigen und gesellschaftlichen Auswirkungen nutzen. ESG-Kriterien helfen Investoren, die langfristigen Risiken und Chancen eines Unternehmens im Hinblick auf Nachhaltigkeit und ethisches Verhalten einzuschätzen.

Unternehmen sind deshalb angehalten, sich frühzeitig um die erforderlichen Informationen aus ihrer Wertschöpfungskette zu kümmern, um wenn nötig, an einigen Stellschrauben rechtzeitig drehen zu können. Diese könnten Lieferantenwechsel zu umweltfreundlicheren Zulieferern, Anpassung des Produktportfolios oder sogar der Wechsel des Geschäftsmodells sein.

Hinzu kommt, dass die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsberichts Auswirkungen auf die Bilanzierung einzelner Posten haben kann, weshalb eine rechtzeitige Betrachtung der eigenen Nachhaltigkeitswerte wichtig ist.

Der „Green Deal“ und seine Ziele

Der „Green Deal“ der Europäischen Union zielt darauf ab, die Realwirtschaft zu transformieren, um EU-Politikziele in den Bereichen Umwelt (E), Soziales (S) und
Governance (G) zu erreichen. Dabei könnte man den Green Deal auch als eine Form von Industriepolitik sehen, die Subventionen und in Zukunft auch neue Finanzierungsmöglichkeiten in gewünschte Projekte lenkt.

Kapitalströme und Nachhaltigkeitsberichterstattung

Ein zentrales Ziel des Green Deals ist es, Kapitalströme in nachhaltige Unternehmen und Geschäftsaktivitäten zu lenken. Um diese Unternehmen zu identifizieren, wurden die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erweitert und die EU-Taxonomie als Klassifikationssystem geschaffen. Diese Taxonomie hilft, nachhaltige Finanzprodukte zu identifizieren, damit auch Kleinanleger an der Finanzierung der Transition teilnehmen können. Die ESG-bezogene Offenlegungsverordnung verpflichtet Finanzmarktakteure, Unternehmen und deren Berater, entsprechende Informationen bereitzustellen.

Die Rolle der Kreditinstitute bei der ESG-Bewertung

Kreditinstitute spielen eine wesentliche Rolle bei der Transition zur Nachhaltigkeit. Ihre finanziellen Vermögenswerte stellen Geschäftsbeziehungen dar, für die sie Verantwortung tragen. Diese Verantwortung zeigt sich in ihren ESRS-Nachhaltigkeitsberichten, spezifischen Taxonomie-Kennzahlen (insbesondere der Green-Asset-Ratio) und Offenlegungsberichten.

Die Institute sind angehalten die ESG-Bewertung in ihrer Kreditvergabe zu berücksichtigen, was irgendwann dazu führen wird, dass nur noch „grüne“ Unternehmen einen Kredit erhalten. Die Kreditinstitute würden andernfalls in ihrer eigenen ESG-Bewertung – in welcher sie alle vergebenen Kredite darstellen müssen – schlecht abschneiden und von Kapitalanlegern eventuell nicht mehr berücksichtigt werden.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt wird die erhöhte Zinslast für Unternehmen sein, die bei der ESG-Bewertung negativ abschneiden, da das Risiko für Tilgungsausfälle, wie unten beschrieben, ansteigt. Aus diesem Grund sollten sich die ESG-Kriterien idealerweise im Risikomanagement ansiedeln, da eine höhere Zinslast infolge einer schlechten ESG-Bewertung zu einem erhöhten Risiko für die Unternehmen führt.

Hypothese: Verständliche Finanzprodukte für alle

Ein Ziel des Green Deal ist es, dass jeder – auch eine Privatperson – versteht, in welche Finanzprodukte investiert werden soll, um bessere Investitionsentscheidungen treffen zu können.

Ziele des Green Deal der EU

Der Green Deal der EU bringt mehrere Neuerungen mit sich, die die bisherigen Ansätze zur Nachhaltigkeit und Transformation der Wirtschaft weiterentwickeln und intensivieren. Wie werden nun die Finanzströme in die von der EU gewollten, nachhaltigen Projekte geleitet? Dazu sind folgende Maßnahmen beschlossen worden:

Kapitalströme in eine nachhaltigere Wirtschaft lenken

EU-Taxonomie: Ein Klassifizierungssystem für nachhaltige und nicht-nachhaltige Aktivitäten.
Standards und Labels: Einführung eines EU-Standards für grüne Anleihen und Labels für grüne Finanzprodukte.
Investitionsförderung: Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte.
Nachhaltige Finanzberatung: Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die Finanzberatung und Kreditvergabe.
Nachhaltigkeits-Benchmarks: Entwicklung von Nachhaltigkeits-Benchmarks. Dies betrifft insbesondere Unternehmen, die auf Kapitalzuflüsse von Investoren oder Banken angewiesen sind.

Integriertes Risikomanagement

Ratings und Marktforschung: Bessere Integration von Nachhaltigkeit in Ratings und Marktforschung, auf deren Grundlage Konsumentscheidungen getroffen werden.
Pflichtenklärung: Von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern das Kriterium der Nachhaltigkeit bei den Investitionsabläufen zu berücksichtigen und damit die Offenlegungsvorschriften zu stärken.
Grüner Unterstützungsfaktor: Einführung eines „grünen Unterstützungsfaktors“ in die EU-Aufsichtsregeln für Banken und Versicherungsunternehmen, die dazu verpflichtet werden, ihre Kunden entsprechend ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu beraten.

Transparenz und Langfristigkeit

Offenlegung und Rechnungslegung: Stärkung der Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten und dahingehend der Rechnungslegungsvorschriften (bspw. die Bewertung der immateriellen Vermögenswerte und Sachanlagen, etwaige Drohverlustrückstellungen etc. Zudem ist der ESG-Bericht ein zwingender Teil des zu prüfenden Lageberichts).

Nachhaltige Unternehmensführung: Förderung einer nachhaltigen Unternehmensführung und Abschwächung des Kurzfristdenkens auf den Kapitalmärkten.

Betroffene Unternehmen einer ESG-Bewertung

PIE (Public Interest Entity, Unternehmen von Öffentlichem Interesse) mit bestehender Berichtspflicht nach NFDR: Geschäftsjahre ab dem 01.01.2024
Große Unternehmen mit Sitz in der EU: Geschäftsjahre ab dem 01.01.2025 (Bilanzsumme > 25 Mio. €, Umsatz > 50 Mio. €, Mitarbeiter > 250).
Börsennotierte KMU und kleine Kreditinstitute: Geschäftsjahre ab dem 01.01.2026
Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU: Geschäftsjahre ab dem 01.01.2028 (Umsatz > 150 Mio. €, Tochtergesellschaften oder Niederlassungen mit bestimmten Umsatzgrenzen).

Aufbau der ESRS-Berichterstattung

Die Berichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) soll wesentliche Informationen über Risiken und Chancen in Bezug auf ESG-Angelegenheiten offenlegen. Unternehmen müssen zusätzlich unternehmensspezifische Angaben für wesentliche ESG-Aspekte machen, falls diese in den ESRS-Kriterien nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.

ESRS: Die Abkürzung ESRS steht für „European Sustainability Reporting Standards“ (Europäische Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards). Diese Standards wurden entwickelt, um Unternehmen in der Europäischen Union dabei zu unterstützen, umfassend und transparent über ihre Nachhaltigkeitsleistung zu berichten.

Struktur der ESG-Berichts