Corona-Hilfen und Rückforderung? Die Corona-Pandemie stellte Staaten weltweit vor nie dagewesene Herausforderungen – wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. In Deutschland reagierte die Bundesregierung mit einer Vielzahl kurzfristiger Hilfsmaßnahmen, darunter auch KfW-Schnellkredite, Soforthilfen und Überbrückungsgelder. Das Ziel bestand darin, Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler schnell und unbürokratisch zu unterstützen. Doch diese schnelle Hilfe steht heute in einem Spannungsverhältnis zu den nachträglichen Prüfungen und Rückforderungen, die zahlreiche Empfänger treffen. Dieser Widerspruch wirft grundsätzliche Fragen zur Gerechtigkeit, Verlässlichkeit und Planbarkeit staatlichen Handelns auf.
1. Die Notwendigkeit der Soforthilfen
Im Frühjahr 2020 drohte ein wirtschaftlicher Kollaps: Lieferketten brachen zusammen, Geschäfte mussten schließen und Umsätze fielen schlagartig aus. In dieser Situation hatte Geschwindigkeit oberste Priorität. Die Bundesregierung versprach schnelle und unbürokratische Hilfe – und hielt dieses Versprechen zunächst ein. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellte über die Hausbanken zinsgünstige Kredite bereit, die staatlich garantiert waren. Parallel dazu wurden Soforthilfen auf Landes- und Bundesebene ausgezahlt, teilweise innerhalb weniger Tage nach Antragstellung.
Die Förderkriterien waren bewusst großzügig formuliert. Liquiditätsengpässe sollten prognostisch geltend gemacht werden können; die entsprechenden Nachweise wurden oft erst später gefordert. In dieser Ausnahmesituation trat der Staat als Rettungsanker auf – schnell, umfassend und pragmatisch.
2. Die nachträgliche Überprüfung und Rückforderung
Mit dem Abflauen der unmittelbaren Krise begann jedoch die nachträgliche Überprüfung der Anträge. Wurden die Förderbedingungen wirklich eingehalten? Gab es den prognostizierten Liquiditätsengpass tatsächlich? Hätten vorhandene Rücklagen genutzt werden müssen? In vielen Fällen lautete die behördliche Antwort: „Nein“. In der Folge wurden bereits ausgezahlte Hilfen zurückgefordert – nicht selten vollständig.
Auch bei KfW-Darlehen wurde geprüft, ob die Voraussetzungen korrekt eingeschätzt wurden. Unternehmen, die später beispielsweise als „nicht förderfähig” eingestuft wurden, sehen sich nun mit Rückforderungen oder Problemen bei der Darlehensrückzahlung konfrontiert – teils trotz zwischenzeitlicher wirtschaftlicher Gesundung oder anderer betrieblicher Entwicklungen.
3. Der zentrale Widerspruch zwischen Corona-Hilfen und Rückforderung
Hier liegt ein fundamentaler Widerspruch: In der Krise forderte der Staat schnelle Anträge auf Basis unvollständiger Informationen – mit dem Versprechen, die Hilfen seien „unbürokratisch und unverschuldet“ notwendig. Im Nachhinein beurteilt er diese Anträge jedoch unter Bedingungen, die rückblickend viel klarer erscheinen. Ein Unternehmer oder Selbstständiger wird somit faktisch dafür sanktioniert, in einer Krisensituation auf staatliche Zusagen vertraut zu haben, obwohl er keine belastbare Planungssicherheit hatte.
Besonders hart trifft es jene, die ohnehin in einer wirtschaftlich prekären Lage waren oder durch die Pandemie stark geschwächt wurden. Es entsteht das Gefühl, der Staat stelle zwar im Krisenmoment Geld bereit, ziehe es später jedoch mit juristischen Mitteln wieder ein – eine Form von „staatlichem Vertrauensbruch“, wie manche Kritiker meinen.
4. Insolvenzrisiken durch Rückforderungen
Die Rückforderung von Fördergeldern kann für ohnehin angeschlagene Unternehmen existenzbedrohend sein. Gerade kleine und mittlere Betriebe, die mit geringen Rücklagen operieren, können bereits durch fünfstellige Beträge in die Zahlungsunfähigkeit geraten. Die Kombination aus pandemiebedingten Nachwirkungen, gestiegenen Zinsen, Energiepreisschocks und nun auch Rückzahlungsverpflichtungen stellt eine gefährliche Gemengelage dar.
Die Konsequenz: Eine wachsende Zahl von Unternehmen sieht sich mit (drohender) Zahlungsunfähigkeit und / oder Überschuldung konfrontiert. In vielen Fällen ist die Einleitung eines Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahrens dann die letzte Option, um die Unternehmensfortführung zu sichern oder eine geordnete Abwicklung zu gewährleisten.
5. Möglichkeiten zur Sanierung: StaRUG- und ESUG-Verfahren
Um einer Regelinsolvenz zu entgehen oder diese konstruktiv zu gestalten, stehen betroffenen Unternehmen in Deutschland zwei relevante Instrumente zur Verfügung:
a) StaRUG – Sanierung ohne Insolvenz
Seit Januar 2021 gibt es mit dem StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) ein präventives Restrukturierungsinstrument. Es richtet sich an Unternehmen, die zwar zahlungsfähig sind, aber absehbar in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.
Vorteile:
- Außergerichtliches Verfahren, das ein gerichtliches Insolvenzverfahren vermeiden kann
- Möglichkeit zur Teilentschuldung, insbesondere bei Rückforderungen
- Mehrheitsbeschluss der Gläubiger statt Einstimmigkeit notwendig
- Schutz vor Einzelzwangsvollstreckung
Das StaRUG eignet sich insbesondere dann, wenn beispielsweise Fördermittel zurückgefordert werden, das Unternehmen aber grundsätzlich überlebensfähig ist.
b) ESUG – Insolvenz in Eigenverwaltung
Im Rahmen des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) kann ein Unternehmen eine Insolvenz in Eigenverwaltung unter gerichtlicher Aufsicht durchführen. Dabei bleibt der Geschäftsführer handlungsfähig, ein Sachwalter überwacht den Prozess.
Vorteile:
- Fortführung des Betriebs
- Schulden können durch einen Insolvenzplan deutlich reduziert werden
- Neue Verträge können geschlossen und alte beendet werden
- Schutz vor Gläubigermaßnahmen
Ein ESUG-Verfahren bietet sich an, wenn eine Überschuldung bereits eingetreten ist oder kurzfristig droht. Es stellt einen geordneten Weg zur Sanierung dar, ohne dass das Unternehmen automatisch zerschlagen wird.
6. Fazit: Lehren für zukünftige Krisen
Die Corona-Hilfen waren richtig und notwendig, ebenso wie die Kontrolle ihrer ordnungsgemäßen Verwendung. Der Umgang mit den Rückforderungen offenbart jedoch ein strukturelles Defizit im staatlichen Krisenhandeln. Zwischen dem Versprechen schneller Hilfe und der rückwirkenden Kontrolle entsteht ein Bruch, der viele Unternehmen und Selbstständige in neue Unsicherheit stürzt – bis hin zur Insolvenz.
Für künftige Krisen sind daher klare Grundsätze erforderlich:
- Rechtssicherheit bei der Antragstellung
- Schutz des Vertrauens in staatliche Zusagen
- Verhältnismäßigkeit bei der Rückforderung
- rechtzeitiger Zugang zu Restrukturierungsinstrumenten wie StaRUG oder ESUG
- eine transparente Kommunikation der Bedingungen
Nur so kann der Staat seine Rolle als verlässlicher Partner in Ausnahmesituationen glaubhaft ausfüllen und das Vertrauen zurückgewinnen, das er in der Krise für sich beanspruchte.